99zuEins
Der Podcast ist ja relativ bekannt. Er wird erstmal zum Sprachrohr für allerhand linke Dissertationen und innerlinke Abrechnungen und diese Marktlücke für die neue, klassenkämpferische Strömung erfüllen. Die Wochenschau der K-Aufbauorganisation, das ist wahrscheinlich auch der persönliche Wunsch der Macher? Klassenkampf will ich hier gar nicht kritisieren, aber die Eitelkeit, und die Art, wie man sich dort Argumente einleuchten lässt, besiegeln das Ende des Podcasts, glaube ich.
Dafür möchte ich erst drei Beobachtungen beschreiben und deuten, und dann den Ekel und slang, der daraus entsteht. Ob das den Untergang schlüssig belegt, kann ich nicht mehr beurteilen, aber ich sollte ja erklären, was mein Problem damit ist, und ich glaube auch, dass diese Art der “Volksbildung” Auswirkungen hat – über die übliche Szene hinaus aber gar keine Auswirkung hat.
Meine Fresse, die haben auch einfach Schaum vorm Mund, das musst Du doch “sehen”. Mein ganzes Geschwalle hier ist doch selber wieder nur Rationalisierung, ich lasse Dich teilhaben am Versuch anhand der Form zu zeigen, warum man sich auf die Inhalte gar nicht einlassen braucht.
A) Beobachtung
1. Lehrer und Schüler?
Dafür musst du nur siebzig Sekunden eines Videos als Beweismaterial schauen. Die Stelle ist schon markiert. https://www.youtube.com/watch?v=oFpJjTSogC4&t=2580s Minute 43:00 bis 44:10 Die Beobachtung, auf die ich hinaus will, ist Folgendes:
In Min. 43:15 muss Lehrer Marek eine Berichtigung anbringen, woraufhin sein Schüler Nadim versichert: “darauf will ich ja gleich hinaus”. Der Lehrer begibt sich wieder in seine wohlwollende, aber zum Tadel bereite Stellung. Schüler stammelt sichtlich irritiert das Adorno-Zitat daher und fasst es in eigene Worte: “man muss den Leuten klarmachen(…:) wenn alles kaputt geht, dann hast Du auch nichts davon.” Der Lehrer nickt zustimmend. Doch der Schüler ist mit dem Argument noch nicht zufrieden, denn er will doch Adorno widerlegen, und sein Lehrer gab eben zu verstehen, dass es hier einer Berichtigung bedarf. So viele Kritikpunkte stehen auf dem Zettel – die Situation ist stressig, öffentlich, begutachtet vom Experten – sie sind plötzlich nicht mehr auffindbar. Er bewahrt einen kühlen Kopf und improvisiert eine alternative Kritik des Faschismus, nämlich “dass das einfach Schwachsinns Ideen sind, die nichts mit der Realität zu tun haben”. Der Lehrer runzelt kaum merklich die Stirn(44:00), denn das Argument hat mindestens einen Haken, und in etlichen Stunden, die sie schon zusammen über Faschismus und so Zeug geredet haben, sollte etwas anderes vermittelt werden. Aber er gibt dem Schüler Zeit sich selber zu verbessern. Dieser flüchtet sich in ein Zitat und der Lehrer kann den Anflug von Enttäuschung in seiner Miene nicht unterdrücken(44:10).
Nach so vielen Stunden der Schulung fällt der Schüler im ersten Stressmoment zurück in seine kindischsten Überzeugungen. Doch sie sitzen auf derselben Seite der Einheitsfront gegen Adorno, und er will dem Schüler nicht öffentlich in den Rücken fallen.
2.
Das ganze Video dauert eigentlich fünf Stunden. Ich habe es etwas mehr als eine Stunde geschafft(63:30). Da wird über Mathe und Zahlentheorie gesprochen, und dabei falsch aus einer Formelsammlung zitiert! Und dann sagst Du, ich soll es ihnen doch erklären, wenn sie einen Fehler machen.
3.
Da könnte man ja mal fragen. Oder da würde ich dann sagen.
Es ist müßig diese Phrasen im Video zu suchen, markieren, transkribieren. Ich hab sie Dir schon mehrfach beschrieben. Oft werden sie fränkisch intoniert, und leiten ein Argument ein, das der Phrasendrescher sich hat einleuchten lassen.
Manchmal benutzt man die Phrasen einfach, relativ harmlos, z.B. um auf einer Schulung eine Art Rollenspiel zu betreiben. Was würdest du sagen, wenn dir einer sagt, er ist stolz auf Deutschland. Was fragst du einen Arbeiter, wenn du mit ihm über seine Unzufriedenheit am Arbeitsplatz reden willst. Et cetera. Aber sie beinhalten auch die Unverbindlichkeit, dass man nichts wirklich sagen muss, sondern es nur sagen würde, Konjunktiv.
Dass man nichts wirklich sagt, liegt daran, dass a) man selten Gegner im Disput findet, die ebenfalls Argumente von der Stange benutzen, weil man b) seinen eigenen Mief überhaupt nie verlässt, und die Rolle des Lehrers einmal selber einzunehmen, die schönste Vorstellung ist, die man in so einem Laden c) überhaupt entwickeln kann. Natürlich mit eigenen, total originalen Thesen im Schlepptau, auf die man ja gleichzeitig auch als Abschlussarbeit an der Uni sehr stolz sein kann.
B) Deutung
Also: der Podcast ist intellektueller Inzest, und das ist ja nichts Besonderes und auch nichts Kritikables. Das ist so, wie wenn dem Verlag, dessen Name nicht genannt werden soll, vorgeworfen wird, sie seien viel zu abgehobene Theoretiker, obwohl Theorie da wenn überhaupt erst dann gemacht werden darf, nachdem man Argumente gelernt hat wie eine Formelsammlung.
Gleichzeitig sind die Macher vom Podcast voller Energie, Wut und Hass, was sie kaum verdecken können. Darin könnte ein Funke entstehen, warum denn nicht, es gibt ja nicht nur schlechte Gründe dafür!?! Verbietet es der irgendwie journalistische Anspruch, oder der Pluralismus, oder steht das der Wahrheitsfindung im Weg( – wer denkt, ist nicht wütend)??
Sie unterdrücken es ganz, ganz stark, und das wiederum macht mich beim zugucken wütend. Nur weil sie die Stimme nicht erheben, heißt das nicht, dass sie nicht wütend sind. Ich projiziere wohl, und aus Erfahrung würde ich ihnen dazu raten, ab und zu den eigenen Blutdruck zu kontrollieren, wenn sie sich zu lange in einer Umgebung aufhalten, die der Wut keine Kanäle bietet. Oder Alkohol.
Damit ist der Podcast bisher eine Symbiose. Diejenigen, die seit einigen Jahrzehnten mehr oder weniger verzweifelt versuchen, den Studenten ihre Argumente einleuchten zu lassen, haben endlich jemanden gefunden, der sie die ganze Argumentensammlung vortragen lässt. Und die Podcaster, die eine avantgardistische Rolle als Organ der kommenden Strömung suchten, dafür aber zu wenig Rhetorik oder Dialektik gelernt hatten, freuen sich, weil ihre Meinung von sehr studierten Leuten weitgehend bestätigt wird.
C) schlechte Schulung
Das Format wird von den Gastgebern bestimmt, und diese haben sich nie zu ihrer Rolle im Schulungsverhältnis bekannt, richtig? Ein Grund dafür ist warhscheinlich sowas wie Narzissmus, intellektuelle Eitelkeit, nicht als unwissend zu erscheinen zu wollen(, kennst Du ja von mir 😉 Ein anderer Grund ist die Agenda, die sie verfolgen, und die auch noch nirgends genau festgelegt wurde, richtig? Die ist irgendwie ganz links, Klassegegenklasse, oder sehr jugendlich oder pluralistisch oder Einheit vor Klarheit – nachrangig für Wochenschau der neuesten roten Front. (Die Verwandtschaft mit dem Narzissmus will ich hier einfach übergehen, bzw. Du kannst das Psychogramm besser pointieren.) Was die Agenda auch sei, die Selbstzurücknahme als Schüler in ihrem eigenen, öffentlichen Format würde sie stören. Und an dem Punkt, an dem die Agenda unklar ist, z.B. kritische Theorie, da beginnt das unbestimmte Verhältnis von Pluralismus, Journalismus und Schulung.
Es folgt daraus ein Austausch, bei dem jederzeit und beliebig zwischen einem journalistischen und schulungs-Verhältnis gewechselt werden kann. Aber was nicht passieren kann, ist das ehrliche Offenbaren von eignene Fehlern oder Unwissen oder ungesicherte Diskussion, und das wäre wohl der einzige gute Grund für die Schulung.
Es wurde ein slang eingeübt. Der simuliert Debatten; manchmal wird was nachgefragt, mal ein Kommentar-Troll widerlegt und mal überlegt, was man sagen könnte, würde oder müsste. Anspruch auf Wahrheit wird vorgetragen, der 1. wie beschrieben bei den eigenen Fehlern eine Ausnahme macht, und 2. Wahrheit mit dem besseren Argument gleichsetzt. Hierauf würden sie sagen: erklär doch mal den Unterschied, wenn Du es falsch findest. Ich fall ständig drauf rein und antworte irgendwas mit Metaphysik, Relativität, Spontaneität oder Irrationalismus. Darauf können sie dann mit einem Argument von der Stange reagieren und damit gewinnen sie natürlich den Streit der Materialisten. Denn freilich ist Wahrheit ist nicht gleich Irrationalismus oder Metaphysik. Aber sie verschließen die Wahrheit gegen ihre Möglichkeit, weil der Einzelne sich gegen Erfahrung verschließt. Und ganz immanent lernen sie dabei auch nichts, das den (vor)Urteilen widerspricht, die sie mitgebracht hatten. Ich suche noch ein stumpferes Ende, bitte häng dich nicht daran auf.