Sur l’eau.


Ich hatte den Aphorismus “Sur l’eau” von Adorno schonmal eingelesen(s.u.). Die kritische Theorie der Utopie bietet sicherlich das Material für ganze Dissertationen. Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass die Science Fiction das letzte Resort der utopischen Literatur sei, und das ist bei allen Enttäuschungen, die die SciFi in diesem Jahrtausend anbietet, ein harter Schlag. Doch freilich ist es dort einfach legitim – in der Zukunft.


Darin wird Maupassant im letzten Satz erwähnt:

“Keiner unter den abstrakten Begriffen kommt der erfüllten Utopie näher als
der vom ewigen Frieden. Zaungäste des Fortschritts wie Maupassant und Sternheim
haben dieser Intention zum Ausdruck verholfen, so schüchtern, wie es deren
Zerbrechlichkeit einzig verstattet ist.”

Es findet sich auch ein Satz, der die Theorie der Science Fiction (absichtlich?) berührt:

“Vielleicht wird die wahre Gesellschaft der Entfaltung überdrüssig und läßt aus
Freiheit Möglichkeiten ungenützt, anstatt unter irrem Zwang auf fremde Sterne
einzustürmen.

Der Aphorismus hat es zu einiger Berühmtheit gebracht, jedenfalls so sehr, dass sich eine autonome Bremer Gruppe nach ihm “Aktion Zaungast” benannt hat. Es wird darin die Frage nach der Utopie behandelt.

“So illegitim die unvermeidliche Frage, so unvermeidlich das Abstoßende,
Auftrumpfende der Antwort, welche die Erinnerung an das sozialdemokratische
Persönlichkeitsideal vollbärtiger Naturalisten der neunziger Jahre aufruft, die sich
ausleben wollten. Zart wäre einzig das Gröbste: daß keiner mehr hungern soll.”

Vermutlich meinte Adorno die Internationalen der 1890er, doch es scheint fast, als würde jedes Jahrhundert in den 90ern seine Vollbärte von der Leine lassen, um sie die Welt mit ihren Utopien beglücken zu lassen.

Die Hervorhebung ist von mir, denn es ist einer der bekannteren Sätze Adornos, und einer, der als positive Handlungsanweisung zu verstehen wäre. Es ist imho die Verschränkung von grober Zärtlichkeit, die den Satz von der Suppenküchenmoral unterscheiden, auch wenn es ein Musterbeispiel für Adornos eventuellen Kulturpessimismus ist.

“Genuß selber würde davon berührt, so wie sein
gegenwärtiges Schema von der Betriebsamkeit, dem Planen, seinen Willen Haben,
Unterjochen nicht getrennt werden kann. Rien faire comme une bête, auf dem Wasser
liegen und friedlich in den Himmel schauen, »sein, sonst nichts, ohne alle weitere
Bestimmung und Erfüllung« könnte an Stelle von Prozeß, Tun, Erfüllen treten und so
wahrhaft das Versprechen der dialektischen Logik einlösen, in ihren Ursprung zu
münden. Keiner unter den abstrakten Begriffen”…

La fin.

Bei Maupassant gibt es laut wikipedia mindestens zwei essais <sur l’eau>.

Auf welchen davon sich Adorno bezieht, frage ich mich, und sie erfahren es dann in meiner Hausarbeit. Sekundärliteratur gibt es zuhauf; Sur l’Eau, or How to Read Adorno: Guy de Maupassant and the Negative Dialectic of Utopia ist nur der erstbeste Fund auf google.

 

Hier ist der ganze Aphorismus vorgelesen:

https://youtube.com/watch?v=sFtGTJ7pRko%3Fsi%3DIcGalizRJwuDDaE1